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Pünktlich um 5.45 Uhr heben unsere österreichischen Star Alliance Kollegen nord-westwärts in den kaukasischen Morgenhimmel ab. Drei Stunden Flug- und 25 Minuten Umsteigezeit später empfängt uns bereits das zweite Servus der nächste Cabin Crew im halb verwaisten Flugzeug von Wien nach Zürich. Und diesmal haben es auch unsere Floorball-leeren Koffer in den Bauch der Metallbüchse geschafft. Die Wiener Gepäck-Jongleure haben ihre zweite Chance gepackt und unser Gepäck in den nächsten Flugzeugbauch verfrachtet. So viel zur Heimreise-Logistik.



Doch zurück in die Hauptstadt Armenien‘s. Wir haben noch etwas zu verarbeiten. Armenien, dieses Gallien Zentralasiens, dieses Binnenland eingepfercht zwischen den Grossmächten Türkei, Aserbaidschan, Iran und dem etwas beschaulicheren Georgien. Dieses Land, dessen Grenzen lediglich zu eben diesem Georgien und dem Iran passierbar sind. Dieses Land, das vergangenen Herbst die Region Bergkarabach in einem kurzen und heftigen Krieg und mit beträchtlichen Verlusten an Aserbaidschan verloren hat. Rund 100‘000 Armenier waren gezwungen, innert weniger Stunden ihr zu Hause für immer zu verlassen. Diese Armenier, diese Eurasier, deren Land einst 10x grösser war als heute, die nicht recht wissen, ob sie nun Europäer oder Asier sind. Dieses religiöse Gallien, umrundet vom Islam, das als erstes Land überhaupt das Christentum zur Staatsreligion erklärt hat. Dieses Land, geprägt und geformt durch einschneidende und verlustreiche Konflikte. Dieses Land, welches mit grosser Kraft und Widerstandsfähigkeit, mit Stolz und Pathos seine Identität und seine Kultur bewahrt und immer wieder aufs Neue verteidigen muss.



Zugegeben, die wenigsten unter uns wussten, wo auf der Landkarte genau Armenien zu finden ist, oder wie dessen Hauptstadt heisst. Nach sieben Tagen in diesem wunderschönen, stolzen und gebeutelten Land, kehren wir zurück in unsere piekfeinen Hallenstadions, in unsere Box-Spring-Betten und in unsere Turnhallen mit den perfekten, ungewölbten Böden. In unseren Knochen liegen zwei Tage Sightseeing, drei Trainingstage und ein höchst emotionaler Abschied. Ein Abschied, der nachhallt. Wir beginnen beim dritten und letzten Trainingstag, welcher etwas lazy und träge nur verzögert in die Gänge kommt. Eine gewisse Müdigkeit ist allen Beteiligten anzusehen. Doch das Warmup und der rasch aufgenommene Spielbetrieb mit Auslösungen, einstudierten Spielzügen und natürlich der parallel-exponentiell steigende Koffeingehalt in den Blutbahnen erhöht die Kadenz. Es scheppert und knallt und klatsch wieder auf dem Holzboden, genau so muss es sein. Während dem Powerbreak ergibt sich eine spannende und angeregte Diskussionsrunde zu den Themen Fairplay und Emotionen im Sport. Und dann übernehmen erstmals unsere designierten Coaches das Zepter, also die Taktiktafel, Stifte und Pfeife. Dies ist ein wesentlicher Teil der Trainerausbildung, die nicht nur das Erlernen von Floorball an sich beinhaltet, sondern gleichzeitig auch das Erlernen und Anwenden des Trainerhandwerks. Alle Teilnehmenden instruieren und leiten eigens entworfene Warm Up‘s und Übungen. Wir Coaches wechseln in die Rolle als Spieler und befolgen brav die Anweisungen unserer Neo-Coaches und beobachten gebannt, welche Tipps und Anweisungen sie wiedergeben.



Und dann ist es plötzlich und einfach vorbei. Eben noch drangen mit Inbrunst und vollem Nationalstolz gesungen die Armenische, Russische und Schweizer Nationalhymne vor dem abschliessenden Länderspiel durch die Kehlen. Es ist einer der beiden Höhepunkte des letzten Trainingstages. Wir Schweizer gewinnen den ersten (in-) offiziellen Ländertest gegen die armenisch-russische Auswahl mit 7-2. Armen entpuppt sich einmal mehr als Topscorer und beweist seinen Torriecher, die Freude über die Torerfolge sind grenzenlos.



Als unsere Schweizer Schiri-Legende und Oberhäuptling Pedro, dem gar ein eigener Song gewidmet wurde (Pedro Pedro Pedro Pe) das Spiel abpfeift und wenig später in Hemd und Krawatte über dem Parkett schwebt, wird es emotional.



Mit schweren Herzen, melancholischen Gemüt und feuchten Augen umarmen wir ein letztes Mal unsere grossartigen Teilnehmenden, welche sich nun offiziell als zertifizierte Floorball-Coaches bezeichnen dürfen. Mit geschwellter Brust wird posiert, kräftig Hände geschüttelt, inbrünstig geklatscht und Dancemoves eingelegt. Voller Stolz werden 17 Diplome überreicht, welche wohl mittlerweile die eine oder andere yerevanische Wohnungswand tapeziert.



Die Zeremonie, neben dem abschliessenden Länderspiel, stets DER Höhepunkt nach dem Kurs. Die armenischen Armenier sind stolz, die türkische Armenierin ist stolz, die russischen Ukrainer sind stolz, die ukrainischen Russen sind stolz. Wir alle sind stolz. Ein wahrlich emotionaler Abschied, warme und wertschätzende Dankesworte hallen durch die Halle, armenische Schoggi für die Schweizer Coaches, Schweizer Schoggi für die armenischen Coaches. Nach dem Schoggi-Kuhhandel werden die letzten Social Media Kontakt geknüpft und Einladungen in die eigenen vier Wände ausgesprochen. Wir packen das Material zusammen, schrauben die Tore auseinander. Letzte Umarmungen, „God Bless you’s“ und „See you soon’s“…und dann ist es vorbei. Wir sitzen im Yandex-Taxi und rollen den Hügel hinunter in den stickigen Abendverkehr, das kleiner-werdende Hallenstadion Yerevan‘s im Rückspiegel.



Müde und wohl genährt wackeln wir ein letztes Mal durch die dunkle Hauptstadt. Wir durften zum Abschluss ein exquisites Dinner in einem vornehmen armenischen Restaurant geniessen. Armen beehrt uns ein letztes Mal und bringt seine Frau mit. Er und auch Daniil haben uns eine unvergessliche Woche beschert. Da verzeihen Sie uns auch, mit verschmitztem Lächeln und einigen Runzeln, dass in einem das beste Restaurant der Stadt von gewissen Coaches Burger bestellt werden (der Blick von Daniil, einfach unbezahlbar). Ein letztes Mal sind wir um Armen, dann umarmen wir uns. Er richtet seine letzten Worte an uns: „Don’t forget Armenia!“ Unmöglich, lieber Armen. Spasiva (ist zwar Russisch, aber die Armenische Sprache ist schlicht zu kompliziert)! Wir kehren in die Wohnungen zurück, packen unsere sieben Sachen und legen uns für eine ausgiebige 3-stündige Mitternachtssiesta hin. Um 3.15 Uhr morgens umarmen wir mit müden und verklebten Augen unseren Daniil, der uns zuverlässig, immer gut gelaunt und meist singend begleitet hat. „Bis in Kasachstan im Januar“ meint Daniil. It will be (n)ice (minus 20-30 Grad). ByeBye Armenia.
 

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